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08.01.2024 | Lieferkettenmanagement | Fragen + Antworten | Online-Artikel

Was 2024 beim Lieferkettengesetz gilt

verfasst von: Daja Apetz-Dreier, Julia Hoeren

4 Min. Lesedauer

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Das Lieferkettengesetz in Deutschland greift seit Jahresbeginn umfassender als bislang. Und es gibt Unterschiede zur EU-Regelung. Die Juristinnen Daja Apetz-Dreier und Julia Hoeren erläutern die rechtlichen Details. 

Wo liegen die Unterschiede zwischen den EU-Vorschriften und den deutschen Vorschriften?

Der auffälligste Unterschied zwischen dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und dem europäischen Richtlinienentwurf liegt im Anwendungsbereich. Das deutsche Gesetz galt bis Ende 2023 für alle Unternehmen mit Hauptverwaltung, Niederlassung, Verwaltungssitz oder satzungsmäßigem Sitz in Deutschland, die mindestens 3.000 Arbeitnehmende beschäftigen. Diese Schwelle hat sich nun zu Jahresbeginn auf 1.000 Mitarbeitende abgesenkt und die europäische Richtlinie geht noch weiter: Nach dem Entwurf richtet sich die Richtlinie an EU-Unternehmen mit 500 Beschäftigten, wobei ein weltweiter Nettoumsatz von 150 Millionen Euro erforderlich ist. Für Unternehmen in bestimmten Sektoren gelten die Verpflichtungen bereits, wenn sie 250 Mitarbeitende und einen weltweiten Nettoumsatz von 40 Millionen haben. Nicht-EU-Unternehmen sind erfasst, wenn sie die jeweiligen Umsatzschwellen in der EU erwirtschaften.

An welcher Stelle sind weitere Verschärfungen erwartbar?

Auch inhaltlich geht die europäische Regelung teilweise über das deutsche Gesetz hinaus. Der EU-Richtlinienentwurf verpflichtet Unternehmen dazu, Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung zu ergreifen. Genauer gesagt, müssen die adressierten Unternehmen einen Plan entwickeln, sodass ihre Strategie mit dem 1,5 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens vereinbar ist. Während Unternehmen nach dem LkSG zwar bereits jetzt umweltbezogene Risiken erkennen und begrenzen müssen, begründet diese Verpflichtung eine neue quantitative Dimension. Unternehmen, deren Geschäftsmodell aktuell hohe Emissionen mit sich bringt, sehen sich hier einer großen Umstellung gegenüber. Wie die Risikoanalyse, so wird auch die Bezifferung der Emissionen komplexe Ermittlungen erfordern.

Mit der europäischen Richtlinie wird es eine zivilrechtliche Haftung für Unternehmen geben. Was hat das zu bedeuten?

Das deutsche LkSG sieht Bußgelder für den Fall vor, dass Unternehmen ihre Verpflichtungen nicht erfüllen. Bußgelder sollen auch nach der europäischen Richtlinie verhängt werden. Zusätzlich sollen Betroffene jedoch auch zivilrechtlich Ansprüche durchsetzen können. Das heißt, dass Unternehmen bei Verstößen unter anderem auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden können. Die Betroffenen sollen für die Geltendmachung fünf Jahre Zeit haben.

Manch einer mag sich noch an den Prozess erinnern, in dem das Textilunternehmen Kik vor einigen Jahren auf Schmerzensgeld in Anspruch genommen wurde, weil mehr als 250 Personen bei einem Brand in einer pakistanischen Textilfabrik ums Leben gekommen sind. Kik hatte die betroffene Fabrik nicht betrieben. Es handelte sich um ein Drittunternehmen in der Lieferkette des deutschen Unternehmens. Die Klage wurde damals vom Landgericht Dortmund abgewiesen. Nach Umsetzung des europäischen Richtlinienentwurfs hätte eine Klage wie jene gegen Kik eine neue Grundlage und damit gegebenenfalls Erfolg.

Sowohl das LkSG als auch die europäische Richtlinie richten sich an große Unternehmen. Sind kleinere und mittlere Unternehmen also nicht betroffen?

Zwar sind kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) nicht direkt von der Richtlinie betroffen, doch auch Unternehmen, die nicht so viele Mitarbeitende haben, oder deren Umsatz nicht so hoch ist, dass die Regelungen direkt auf sie Anwendung finden würden, müssen sich auf Anpassungen einstellen. Wenn KMU mit größeren Unternehmen Geschäfte machen, dann sind sie gegebenenfalls Teil deren Lieferkette, sodass sie mittelbar von der Gesetzgebung betroffen sind. Das große Unternehmen, das die Einhaltung von menschenrechtlichen Standards und die Vermeidung von Umweltrisiken bei seinen Lieferanten sicherstellen muss, wird sich entsprechende Kontrollrechte einräumen lassen. Auch müssen KMU damit rechnen, dass ihre Vertragspartner von ihnen verlangen, sich zur Einhaltung bestimmter Regeln, einem Code of Conduct, zu verpflichten.

EU-Kommissar Thierry Breton hat den Mittelständlern bei der Umsetzung der Vorschriften finanzielle und technische Hilfe zugesagt. An welcher Stelle sind für Unternehmen die größten Schwierigkeiten zu erwarten?

Bereits mit Inkrafttreten des LkSG in Deutschland konnten wir beobachten, dass der erste Schritt des Sorgfaltspflichtenkanons, nämlich die Risikoanalyse, Unternehmen oft vor größere Schwierigkeiten stellt. Das gilt für den eigenen Geschäftsbereich, aber in gesteigertem Maße für die Zulieferer eines Unternehmens, da der Einblick hier naturgemäß erschwert ist. Zwar kann beispielsweise die Region, in der ein Zulieferer oder wiederum dessen Zulieferer tätig ist, Hinweis auf ein Risiko geben. In anderen Fällen ist das Risiko jedoch nicht so offensichtlich, sodass Unternehmen sich zwingend ein genaueres Bild machen müssen.

Auch die Implementierung eines Systems zum Umgang mit erkannten Risiken erfordert einigen Aufwand. Obwohl Compliance-Abteilungen teilweise auf den ihnen bekannten Werkzeugkasten zurückgreifen können, müssen neue Strukturen etabliert werden. Oft empfiehlt es sich für die Lieferketten-Compliance einen eigenen Posten, etwa den eines Human Rights Officer, zu schaffen.

Sowohl die Risikoanalyse als auch die Implementierung neuer Verfahren kosten viel Zeit. In jedem Fall macht es daher Sinn, frühzeitig in Verhandlungen mit Zulieferern zu treten und die internen Compliance-Prozesse anzupassen.

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