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2024 | Buch

Horizonte der Kommunikation

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Über dieses Buch

Über Kommunikation ist viel kommuniziert worden. Watzlawick schreibt sogar, man könne nicht nicht kommunizieren. Die hier vorgelegte Aufsatzsammlung vereint eine Reihe von Beiträgen, die im Laufe der Jahre in höchst unterschiedlichen Kontexten entstanden sind. Das Thema Kommunikation war oft nicht das Zentrum. Viele Texte entstanden ursprünglich auch in interdisziplinären Kolloquien. Die Arbeiten hier zusammenzufügen entspringt der Absicht, eine vorher teilweise latente Sinnlinie freizulegen. Man könnte von einer Transformation von Publikationen in Spolien sprechen. Das Hauptanliegen ist, einige bislang eher wenig behandelte Horizonte des Themas ins Auge zu fassen, Ränder sozusagen oder Sonderaspekte. Dieser Horizont erscheint bisweilen als Kaleidoskop.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung
Zusammenfassung
Seit Beginn meiner Tätigkeit an der Universität Trier hatte ich das große Glück, in einem engen Arbeitszusammenhang mit Alois Hahn zu stehen. Schon in meiner ersten Lehrwoche in Trier betreute ich gemeinsam mit Rüdiger Jacob und Waldemar Vogelgesang und eben Alois Hahn ein Forschungspraktikum mit Studierenden zum Leben in einer dörflichen Gemeinde in der Südeifel. Alois Hahn war zu dieser Zeit schon von seiner Professur für Allgemeine Soziologie an der Universität Trier emeritiert, aber trotzdem regelmäßig in die Lehrveranstaltungen vor allem aber die Konzeptionalisierung und Durchführung, aber auch die Auswertung der entsprechenden Forschungen eingebunden. Aus heutiger Sicht kann man diese Kooperation als prototypisch für die Arbeitsweise von Alois Hahn bezeichnen, denn für ihn war – und ist! – es mehr als selbstverständlich, dass zur guten soziologischen Forschung eine Kooperation zwischen Theorie und Empirie notwendig ist und dass die eine Seite ohne die andere immer unvollständig ist und bleiben muss.
Alois Hahn

Allgemeine Ansätze zur Theorie

Frontmatter
Kapitel 2. Verständigung als Strategie
Zusammenfassung
Die folgenden Überlegungen wurden angeregt durch ein Trierer Forschungsprojekt, das sich dem wechselseitigen Verstehen von Ehepaaren widmete (Eckert, R., Hahn, A., Wolf, M. (1989). Die ersten Jahre junger Ehen. Frankfurt am Main/New York.). Wir stießen dort auf die Tatsache, daß der Wunsch nach wechselseitiger Übereinstimmung wesentlich höher war als die realen Möglichkeiten der Partner, zu einem Konsens zu gelangen. Gleichwohl führte die Divergenz von Konsensdruck und Konsensressource keineswegs als solche schon unausweichlich zum Konflikt.
Alois Hahn
Kapitel 3. Verstehen bei Dilthey und Luhmann
Zusammenfassung
Wenn man unter Verstehen die Erfassung subjektiv gemeinten Sinns faßt, ist damit zunächst angedeutet, daß äußeren Handlungen Intentionen sozial zugeordnet werden, die sich aus den Handlungen als solchen noch nicht eindeutig ergeben. Gesellschaften unterscheiden sich erheblich in bezug auf das Interesse, das sie der Differenz zwischen inneren Einstellungen und äußeren Handlungen widmen.
Alois Hahn
Kapitel 4. Kontingenz und Kommunikation
Zusammenfassung
Der folgende Text wird zunächst die Problematik der Kontingenz behandeln, wie sie sich im Werk Talcott Parsons’ stellt, der diesen Begriff (bzw. den Begriff der Doppelkontingenz) in die soziologische Theorie eingeführt hat. Im Anschluß daran werden die Fortentwicklungen vorgestellt, die sich durch die Luhmannsche Systemtheorie für die Behandlung dieser Frage ergeben. Den Schluß des Textes sollen Überlegungen bilden, die auf eigene empirische Forschungen zurückgehen und die Kontingenzen des Verstehens zwischen Ehepartnern behandelten.
Alois Hahn

Probleme des Kommunizierens: Missverständnisse, Paradoxien, Täuschungen und Fiktionen

Frontmatter
Kapitel 5. Konsensfiktionen als Ausgleich für Machtdefizite
Zusammenfassung
Nicht nur gegenüber Mitgliedern unserer Familie, sondern ganz allgemein gehen wir im Alltag davon aus, dass die Welt, so wie wir sie erfahren, tatsächlich ist. Wir unterstellen, dass sie sich auch für andere Menschen unserer Umgebung – jedenfalls in gewissen Grenzen – ähnlich darstellt. „Normale“ Handlungspartner zeichnen sich geradezu dadurch aus, dass ihre Sicht der Dinge, ihre Vorstellungen von alltäglichen Ereignissen und ihre Erinnerungen an gemeinsam Erlebtes meinen eigenen mehr oder minder entsprechen. Jedenfalls gilt das unter der Voraussetzung, dass sie an meiner Stelle stehen oder gestanden hätten, also aus meiner Perspektive eine Erfahrung gemacht haben oder hätten. Alltäglich unterstelle ich regelmäßig diese prinzipielle Vertauschbarkeit oder Reziprozität der Perspektiven.
Alois Hahn
Kapitel 6. Mißverständnisse und Irreführungen – Oder die Logik des Unausgesprochenen bei Marcel Proust
Zusammenfassung
Bevor ich auf die Bedeutung des Mißverstehens bei Proust eingehe, möchte ich einige allgemeine Überlegungen zur Verstehensproblematik vortragen, wie sie sich einem Soziologen aufdrängen. Wenn man unter Verstehen die Erfassung subjektiv gemeinten Sinns faßt, ist damit zunächst angedeutet, daß äußeren Handlungen Intentionen sozial zugeordnet werden, die sich aus den Handlungen als solchen noch nicht eindeutig ergeben. Gesellschaften unterscheiden sich erheblich in bezug auf das Interesse, das sie der Differenz zwischen inneren Einstellungen und äußeren Handlungen widmen.
Alois Hahn
Kapitel 7. Ehrlichkeit und Selbstbeherrschung
Zusammenfassung
So gewiß ich meiner eigenen Gedanken sein mag, so ungewiß sind mir die Inhalte des Bewußtseins anderer Menschen. Wie vertraut ich auch immer mit ihnen sein mag, ihr Inneres ist für mich etwas Äußeres. Ich habe keinen direkten Zugang zum Strom ihrer Empfindungen. Jeder Versuch, direkt am Bewußtseinsleben eines Partners teilzunehmen, ist von vornherein zum Mißerfolg verurteilt. Ich bin immer nur mein eigenes Subjekt. Selbst wenn die Inhalte deines und meines Bewußtseins sachlich genau gleich wären, handelte es sich natürlich nicht um dasselbe Bewußtsein. Die Je-Meinigkeit und Je-Deinigkeit schließt eben eine Fusion der jeweiligen Bewußtseinsströme aus.
Alois Hahn
Kapitel 8. Absichtliche Unabsichtlichkeit
Zusammenfassung
Der Titel enthält eine Paradoxie: Inszenierungen (Zur soziologischen Analyse von Inszenierungen vgl. den gründlichen und präzisen, ja in gewisser Weise unverzichtbaren Aufsatz von Willems (1998). Dort auch eine Fülle weiterer einschlägiger Beiträge. Speziell zur Inszenierung im Kontext von Theater vgl. Fischer-Lichte (1994)). sind notwendig etwas Absichtliches. Unabsichtlichkeit als Ereignis von Inszenierung setzt deshalb im Erfolgsfalle voraus, daß die Inszenierung nicht sichtbar wird. Denn sonst „spürt man die Absicht, und man ist verstimmt“.
Alois Hahn

Sonderformen von Kommunikation (Laienkommunikation und Wissenskommunikation)

Frontmatter
Kapitel 9. Zur Soziologie der Weisheit
Zusammenfassung
Aus soziologischer Sicht läßt sich Weisheit als eine besondere Wissensform bestimmen. Insofern interkulturelle Vergleiche zwischen Wissensformen angestrebt werden, empfiehlt es sich, als Vergleichsbasis eine funktionale Definition des Weisheitsbegriffes vorzunehmen. Die jeweiligen Formen variieren von Gesellschaft zu Gesellschaft zu stark, als daß eine phänomenologische Fassung des Terminus viel verspräche. Die Möglichkeit zu funktionaler Betrachtung wird auch nicht dadurch sabotiert, daß in den einzelnen Kulturen nicht in jedem Falle einer bestimmten Wissensfunktion immer eine ausdifferenzierte Wissensform entspricht. Eher schon wird man damit rechnen müssen, daß vielfach eine Wissensform mehrere Funktionen abdeckt und daß, umgekehrt, oft dieselbe Wissensfunktion in einer gegebenen Gesellschaft auf verschiedene Wissensformen oder kognitive Institutionen aufgeteilt erscheint.
Alois Hahn
Kapitel 10. Expertenwissen und Laienwissen – Über Deutungsunterschiede bei Krankheitsvorstellungen
Zusammenfassung
Alle Kommunikation, auch die zwischen Ärzten und Patienten und ganz allgemein die zwischen Experten und Laien setzt als conditio sine qua non einen Grundbestand an gemeinsamem Wissen voraus. Ohne zumindest unterstellbare gemeinsame und damit anschlußfähige Wissensbestände sind Kommunikation und Verständigung unmöglich (vgl. Hahn, A. (1989). Verständigung als Strategie. S. 346–359 in: M. Haller u. a. (Hg.): Kultur und Gesellschaft. Verhandlungen des 24. Deutschen Soziologentages, des 11. Österreichischen Soziologentages und des 8. Kongresses der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie in Zürich 1988. Frankfurt/New York.; speziell zur Rolle von Experten bei öffentlicher Kommunikation vgl. Neidhardt, ZUMA-Nachrichten 35:18–27, 1994a).
Alois Hahn
Kapitel 11. Prognose
Zusammenfassung
Mit unserem Bewusstsein geht es wie mit der sozialen Kommunikation: Wir können nur in der Gegenwart wahrnehmen, denken oder empfinden oder handeln, es kann nur in der Gegenwart kommuniziert werden. Auch unser Körper kann nur in der Gegenwart operieren, also etwa sich bewegen, verdauen usw. Dasselbe gilt auch für Maschinen: Ihre Operationen finden immer in der jeweiligen Operationszeit statt. Damit ist nicht gesagt, das Vergangenheit oder Zukunft unwichtig für gegenwärtiges Operieren sei. Eine Maschine z. B. kann sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in Gang setzen, weil sie in der vorausgehenden Zeit entsprechend eingestellt worden ist.
Alois Hahn

Grenzformen (Schweigen und Geheimhaltung)

Frontmatter
Kapitel 12. Rede- und Schweigeverbote
Zusammenfassung
Nicht nur für die Systemtheorie, aber vor allem für sie, zumal in der Variante, die Niklas Luhmann entwickelt hat, ist Gesellschaft als Raum der Kommunikation bestimmt. Die Grenzen der Gesellschaft fallen dort mit den Grenzen kommunikativen Geschehens zusammen. Insofern läge es nahe, das Schweigen mit der Grenze von Gesellschaft zu identifizieren und das theoretische Interesse der Soziologie an diesem Thema läge auf der Hand.
Alois Hahn
Kapitel 13. Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalisierter Bekenntnisse: Selbstthematisierung und Zivilisationsprozess
Zusammenfassung
Es soll in diesem Aufsatz um eine Analyse von institutionalisierten Bekenntnissen gehen. Die Beichte ist lediglich ein freilich wichtiger Spezialfall. Institutionelle Bekenntnisse haben nicht nur im Kontext religiöser sozialer Kontrolle eine große Rolle gespielt. Sie sind auch in rechtlichen Verfahren von zentraler Bedeutung. Schließlich ist gerade die aller jüngste Moderne – etwa seit dem 19. Jh. – durch eine Säkularisierung und gleichzeitig den gesteigerten Einsatz von Bekenntnisritualen charakterisierbar.
Alois Hahn
Kapitel 14. Geheim
Zusammenfassung
Die anschließenden Überlegungen zur Soziologie des Geheimnisses verstehen sich ausdrücklich nicht als Beiträge zu einer vertieften Interpretation Georg Simmels, obwohl Simmel in gewisser Weise den klassischen Text zum Thema geschrieben hat. Im Vordergrund stehen Überlegungen zum Geheimnis selbst, die aber immer wieder auf Simmel und seine bahnbrechenden Einsichten rekurrieren.
Alois Hahn
Kapitel 15. Disziplin im Arsenal der Leidenschaften Die Kunst des Strafens
Zusammenfassung
Alle Strafe ist Erzählung. Wäre sie es nicht, sie ließe sich vom Verbrechen nicht unterscheiden, das sie ahndet. Strafe kann – ihrem Selbstverständnis nach – niemals der Anfang sein. Sie behauptet sich immer als Antwort auf etwas, das ihr vorausging. Daraus erwächst ihr der Zwang zur Vergegenwärtigung von Vergangenem. Strafe findet zwar immer zu einem bestimmten Zeitpunkt als Gegenwärtiges statt, aber gäbe es den Bezug auf Früheres nicht, wäre die Gewalt der Strafe blankes Unrecht.
Alois Hahn
Kapitel 16. Schweigen als Kommunikation und die Paradoxien der Inkommunikabilität
Zusammenfassung
Viele Arbeiten von Peter von Moos leisten wichtige Beiträge zur allgemeinen Theorie der Kommunikation, nicht zuletzt auch zu eher paradoxen Formen des Kommunizierens wie dem Schweigen oder dem Geheimnis. Neben Aufsätzen, die ausdrücklich und systematisch solchen Fragen nachgehen, finden sich manche seiner diesbezüglichen Einsichten im Werk verstreut und präsentieren sich als obiter dicta in Kontexten, die mediävistischen Spezialfragen gewidmet sind, z. B. der Analyse eines Textes oder eines Autors.
Alois Hahn
Kapitel 17. Affekt und Emotion als hermeneutisches Problem
Zusammenfassung
Die Soziologie hat sich mit den Affekten unter verschiedenen Aspekten beschäftigt. Zunächst einmal hat sie sich mit der Entstehung von Emotionen befasst. Dabei wurde zwar nicht geleugnet, dass es für Emotionen Korrelate im biophysischen Substrat gibt. Insofern würde die neuere Hirnforschung bei Soziologen offene Türen einrennen, wenn sie auf cerebrale Vorstrukturierung allen psychischen Geschehens verweist.
Alois Hahn

Besondere Bedingungen und Einschränkungen und Ablenkung von Kommunikation: Emotionen, Vergessen, Inszenierung, Zeitknappheit

Frontmatter
Kapitel 18. Aufmerksamkeit
Zusammenfassung
Mindestens seit Max Weber wird der Soziologie die Aufgabe zugewiesen, gesellschaftliche Vorgänge zu „verstehen“. Das setzt voraus, dass menschliches Handeln und Erleben, dass Bewusstsein und Kommunikation „sinnhaft“ operieren. Damit ist zunächst nur gemeint, dass Handeln sich von bloßem Verhalten dadurch unterscheidet, dass sowohl die Handelnden selbst als auch ihre Partner mit dem äußeren Geschehen einen Sinn, eine Intention verbinden.
Alois Hahn
Kapitel 19. Scham, Geheimnis und Gedächtnis
Zusammenfassung
Zumindest für die europäische Moderne lässt sich sagen, dass Scham im Gegensatz zu Schuld sich nicht nur auf deviantes Tun (u. U. einschließlich Unterlassungen oder ‚Gedankensünden‘), sondern auch auf deviantes ‚Sein‘ beziehen kann, z. B. auf Stigmata, die aus Gruppenzugehörigkeiten oder körperlichen Anomalien, Krankheiten usw. erwachsen. Die subjektive Empfindung von Scham setzt typischerweise voraus, dass die Scham auslösenden Sachverhalte sozial bekannt werden, wenn man davon absieht, dass manchmal auch schon die bloße Angst oder die Vorstellung, etwas könnte bekannt werden, Scham auslösen kann.
Alois Hahn
Kapitel 20. Soziologische Aspekte der Knappheit
Zusammenfassung
Der Begriff der Knappheit fungiert in der ökonomischen Theorie als Grundkonzept. Dabei neigt man gemeinhin dazu, die Knappheit als ein „naturgegebenes“ Phänomen anzusehen. Das gilt jedenfalls für die Knappheit der Güter, die als anthropologische Konstante für die Universalität des „Wirtschaftens“ verantwortlich gemacht wird.
Alois Hahn
Metadaten
Titel
Horizonte der Kommunikation
verfasst von
Alois Hahn
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-42623-1
Print ISBN
978-3-658-42622-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-42623-1